Kärntner Fachtagung Suizidprävention mit Schwerpunkt auf „Gendergerechter Suizidprävention“.
Männer sind die zentrale Risikogruppe bei Suizid und psychische Erkrankungen erhöhen das Risiko eines Suizides erheblich. Diese Tatsachen standen unter anderem im Mittelpunkt der bereits 9. Fachtagung Suizidprävention unter dem Titel „Gendergerechte Suizidprävention“ im Lakeside Park in Klagenfurt, organisiert von der Unterabteilung Gesundheitsförderung. Mit 250 Teilnehmenden vor Ort und zahlreichen weiteren online war das Interesse an der Tagung auch heuer wieder sehr groß – sie war vor Anmeldeschluss ausgebucht. „Die Fachtagung Suizidprävention ist seit 2017 ein unverzichtbarer Bestandteil unserer Arbeit bzw. Präventionsarbeit. Sie bringt Fachleute aus Medizin, Psychologie, Sozialer Arbeit und Pädagogik zusammen und schafft Raum für Austausch, Wissenstransfer und Vernetzung“, so Gesundheitslandesrätin Beate Prettner bei der Pressekonferenz nach der Tagung. „Jeder Suizid ist einer zu viel – hinter jeder Zahl steht ein Mensch und Angehörige, die mit großem Schmerz zurückbleiben“, betont Prettner. „Es ist mir ein großes Anliegen, Bewusstsein zu schaffen und Wege aufzuzeigen, wie wir gemeinsam Leben retten können.“
Seit 2018 führt Kärnten eine eigene Suiziddatenbank – einzigartig in Österreich. Diese erfasst nicht nur die Zahl der Suizide, sondern auch Informationen zu Beruf, psychischen oder körperlichen Erkrankungen, Warnzeichen und Risikofaktoren. „Das ständige Monitoring ermöglicht es, sehr aktuell auf Auffälligkeiten zu reagieren und gezielt Präventionsmaßnahmen abzuleiten“, erklären Prettner und Christa Rados, fachliche Leiterin der Kärntner psychosozialen Therapiezentren.
Die Zahlen aus der Kärntner Suizidstatistik 2024 unterstreichen die Kernaussage: 2024 nahmen sich 118 Menschen in Kärnten das Leben (2023 waren es 119), davon 92 Männer. Zwischen 70 und 80 Prozent der Suizide betreffen auch im langjährigen Rückblick Männer. Psychische Erkrankungen spielen bei Frauen häufiger eine Rolle, bei Männern sind Beziehungsprobleme oder plötzliche Lebenskrisen oft Auslöser. „Männer suchen oft erst sehr spät Hilfe und sind bei der Handlung Suizid viel spontaner – der Zeitraum für präventives Eingreifen ist damit deutlich kürzer“, gibt die Landesrätin zu bedenken.
Männer müssen als zentrale Risikogruppe für Suizidalität stärker anerkannt werden, appelliert auch Carmen Schlojer (GO-ON Suizidprävention Steiermark): „Notwendig ist eine gendersensible Suizidprävention mit Fokus auf Männer, damit sie tatsächlich von Angeboten profitieren können. Dazu gehören gesellschaftliche Veränderungen, die Hilfeannahme in Krisen für Männer selbstverständlich machen. Suizidäußerungen müssen ernstgenommen und Männer sollten direkt auf ihre Krise angesprochen und ihnen Hilfe angeboten werden“, so die Expertin. Männliche Vorbilder, die Schwäche, Hilfesuche und erfolgreiche Krisenbewältigung sichtbar machen, würden dabei eine zentrale Rolle spielen.
Thomas Niederkrotenthaler, Professor für Public Health an der MedUni Wien, weist auf die besondere Situation sexueller Minderheiten hin: „Das Risiko für Suizidversuche ist bei diesen Gruppen deutlich erhöht. Minoritätenstress und fehlende Rollenbilder gerade ums Coming-Out spielen dabei eine große Rolle. Präventionsmaßnahmen müssen auch diese Lebensrealitäten berücksichtigen“, unterstreicht er. Projekte wie „Es wird besser“ zeigten gerade bei jungen transidenten und nichtbinären Menschen, dass gezielte Resilienzförderung und positive Rollenbilder helfen können, Suizidalität zu verringern.
Das Land Kärnten setzt seit Jahren auf ein breit gefächertes Präventionsnetzwerk unter Federführung der Koordinationsstelle SUPRA als zentrale Anlaufstelle für alle in der Suizidprävention Tätigen. Es werden auch „Hotspot-Analysen“ durchgeführt und „Suizidorte“ nach Möglichkeit entschärft. „Ein sinnvolles Instrument, wie sich mittlerweile zeigt“, so Prettner. Weiters setzt man auf regelmäßige Gatekeeper-Schulungen für medizinisches, psychosoziales oder pädagogisches Fachpersonal.
Auch wenn bei Jugendlichen derzeit keine steigende Tendenz erkennbar ist, wird seit Jahren ein Schwerpunkt in dieser Gruppe gesetzt – durch Workshops im Rahmen des „Kärntner Bündnisses gegen Depression“, die den Umgang mit Krisensituationen, Suizidprävention und Stärkung des Selbstbewusstseins vermitteln. Zusätzlich bieten Initiativen wie die „Schreibstätte“ von Clemens Luderer Möglichkeiten der emotionalen Verarbeitung in stationären Jugendeinrichtungen.
In der Woche des Weltsuizidpräventionstages (10. September) setzt Kärnten ein sichtbares Zeichen: Das Landhaus und das Amt der Kärntner Landesregierung werden in Gelb beleuchtet – der Farbe der Suizidprävention. Informationsmaterial weist auf Hilfsangebote hin, während die zentrale Online-Plattform www.wir-helfen-dir.at Hilfsangebote und Chatmöglichkeiten für junge Menschen bietet.
„Suizidprävention ist kein Randthema, sondern eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe“, betont Prettner. „Wir müssen Menschen rechtzeitig Hoffnung, Perspektiven und Unterstützung geben – besonders Männern, die Hilfe oft erst spät suchen. Enttabuisierung von psychischen Problemen ist dabei entscheidend.“
Rat und Hilfe bei Suizidgedanken:
- Telefonseelsorge: 142
- Psychiatrischer Not- und Krisendienst Kärnten: 0664/30 07 007 oder 0664/30 09 003
- Homepage „Wir helfen dir“: www.wir-helfen-dir.at
Foto: © Büro Prettner